2019-10-22 19:58
15 Jahre Ubuntu
Vor 15 Jahren, am 20. Oktober 2004, erschien die erste Version der Desktop-Linux Distribution Ubuntu.
Ende 2004 war ich, damals noch für meinen alten Arbeitgeber in Stuttgart, in einem IT-Security Projekt tätig und suchte im Internet nach Informationen zu Schwachstellen. Dabei stieß ich öfter auf die Security-Webseiten der mir bis dato unbekannten Distribution Ubuntu, die sich sehr informativ und aufgeräumt präsentierten. Neugierig, wie ich nun mal bin, testete ich die gerade erschiene Distribution Ubuntu Linux 4.10 “Warty Warthog” kurze Zeit später in einer virtuellen Maschine unter dem damals kostenlos erhältlichen Hypervisor VMware Server.
Die Distribution sah vielversprechend aus: ein Derivat meiner bevorzugten Distribution Debian GNU/Linux mit einer konsequenten Ausrichtung auf den Desktop, installierbar über eine Live-CD und einem geregelten Releasezyklus. Finanziert von dem Mäzen Mark Shuttleworth, durch den Verkauf seiner Firma Thawte an Verisign reich geworden, würde dem Ubuntu-Hersteller Canonical nicht so schnell die Finanzen ausgehen.
Anders als bei Debian galt bei Ubuntu von Anfang an der Grundsatz “Genau ein Tool für einen Zweck”. Während Debian eine Vielzahl von Desktop-Umgebungen, Webbrowsern, Mailclients, Tabellenkalkulation etc. mitbrachte und dem Anwender die Wahl ließ, beschränkte sich Ubuntu jeweils auf genau eine Software. Doch das Prinzip weichte schnell auf, als parallel zur favorisierten Desktop-Umgebung Gnome 2 weitere Ubuntu-Varianten mit KDE und anderen Desktops erschienen; mal mehr, mal weniger offiziell von Canonical unterstützt.
Der sichtbarste Unterschied zu Debian waren und sind bei Ubuntu die festen Releasezyklen. Jeweils im April und Oktober eines Jahres erscheinen neue Versionen, benannt mit einer Datumsangabe wie 04.10, 05.04, 05.10 usw. Die einzige Ausnahme bisher blieb Ubuntu 06.06 LTS, das wegen Stabilitätsproblemen eine um zwei Monate verlängerte Testphase durchlief und gleichzeitige das erste Release mit einem Long Term Support von drei Jahren für den Desktop und sogar fünf Jahren für das Basissystem und die Serverkomponenten wurde. LTS Releases gibt es seither alle zwei Jahre, also immer im April eines geradzahligen Jahres; die konkreten Supportzusagen wurden im Laufe der Zeit immer mal wieder geändert. Die übrigen Releases bekamen anfangs 18, seit Version 13.04 nur noch neun Monate Support.
Eine weitere Besonderheit von Ubuntu, dem afrikanischen Wort für Menschlichkeit, war die Möglichkeit, weltweit kostenlos ein Installations-CD zugeschickt bekommen zu können. Mit der zunehmenden Verbreitung von Internet-Zugängen wurde dieses Angebot später eingestellt.
Auch wenn Ubuntu Linux zum größten Teil von Debian übernommene Softwarepakete enthält, wurde Ubuntu bzw. Canonical auch durch zum Teil spektakuläre Eigenentwicklungen bekannt, die nicht alle von Erfolg gekrönt waren. Prominente Beispiele waren bzw. sind zum Teil noch der Desktop Unity, der Displayserver Mir, das Init-System Upstart und in jüngster Zeit das Netzwerk-Konfigurationssystem Netplan. Im Server-Bereich sind hier der Container-Hypervisor LXD, die Orchestrierungssoftware Juju und die schlanke Kubernetes-Distribution MicroK8s zu nennen.
Hinter Ubuntu bildete sich schnell eine große Community. Speziell im deutschsprachigen Raum gibt es mit dem Portal Ubuntuusers ein reichhaltiges Informations- und Supportangebot. Zeitweise fanden jähliche Ubuntu-Konferenzen in Deutschland statt, mittlerweile sind sie der Ubucon Europe gewichen.
Meine erste Ubuntu-Version außerhalb einer virtuellen Maschine wurde Ubuntu 09.10, als ich im Januar 2010 einen neuen Desktop PC auf Basis des Intel Core i7-860 Prozessors zusammenbaute und das aktuelle Debian zu alt für dieses System war. In den folgenden Monaten aktualisierte ich regelmäßig auf die jeweils neuen Versionen und schrieb auch teilweise darüber. Allerdings war ich mit dem Wechsel von Gnome 2 zu Unity als Desktop nicht besonders glücklich, auch die Alternative Gnome 3 überzeugte mich nicht. Als sich aber Canonical mit der Version 12.10 entschied, den Anwendern ungefragt eine Amazon Shopping Lense unterzujubeln, die alle Suchbegriffe der lokalen(!) Desktop-Suche an Amazon weiter leitete, wechselte ich kurzerhand zurück zur aktuellen Debian stable und dem Gnome 2 Desktop.
Erst Ende 2017 gab ich Ubuntu erneut eine Chance; wieder war es eine neue Hardware, ein Desktop-System auf Basis des AMD Ryzen 7 1700, das den Wunsch nach einem aktuelleren Linux-System als Debian aufkommen ließ. Mittlerweile werden auch die LTS Releases von Ubuntu regelmäßig über die Hardware Enablement Stacks mit neueren Kerneln und Grafiktreibern versorgt, so dass man auch als Desktop-Benutzer nicht mehr zwingend die Nicht-LTS Releases installieren muss. Mit dem MATE Desktop steht ein stabiler und überaus benutzerfreundlicher Nachfolger von Gnome 2 zur Verfügung, so dass man sich auf den eingeschränkten und ressourcenhungrigen Gnome 3 Desktop nicht einlassen muss.
Aus seinen Alleingängen und Datenschutz-Pannen scheint Ubuntu bzw. Canonical gelernt zu haben. Aktuelle Ubuntu-Versionen arbeiten grundsolide, bieten eine große Auswahl von Desktop-Umgebungen und anderer Software, und das Erscheinungsmodell von sechs Monaten bzw. zwei Jahren wird konsequent beibehalten. Ich bin davon überzeugt, dass 15 weitere erfolgreiche Jahre für Ubuntu vor uns liegen.