2016-08-28 13:15

FrOSCon 2016

Letztes Wochenende fand in St. Augustin die 11. Konferenz über Freie und Open Source Software (FrOSCon) statt. Wie immer habe ich zahlreiche Vorträge besucht und alte Bekannte wieder getroffen.

Rein subjektiv kam es mir so vor, als ob die FrOSCon dieses Mal weniger Besucher als in den früheren Jahren hatte. Auch bei den Ständen fehlte mit dem Debian-Projekt ein Schwergewicht. Vielleicht haben sich die Besucher aber auch nur gleichmäßiger auf die vielen parallelen Vorträge verteilt, denn nur drei der Vorträge, die ich besucht habe, waren wirklich voll.

Lustigerweise hatte meine Auswahl, die ich unten wie immer in chronologischer Reihenfolge gemäß Vortragsprogramm wiedergebe, diesmal auch inhaltlich den Charakter einer Timeline. Man könnte fast sagen, der Samstag war ein Rückblick auf Vergangenes (C64) oder eher alte Themen (BGP/OSPF, MySQL, GnuPlot). Der Sonntag beschäftigte sich dagegen mit aktuellen Themen (Scrum, Storagemanagement, Container, MySQL 5.7) und behandelte schließlich mit Ansible und Go zwei sehr junge Projekte, die definitiv Trendsetter sind und das Potenzial haben, zum de-facto Standard in ihrem jeweiligen Bereich zu werden.

Samstag

Commodore 64 reloaded war der erste sehr gut besuchte Vortrag. Hier ging es nach einer Vorstellung der Hardware des C64 hauptsächlich um Erweiterungen, die den “Brotkasten” mit aktueller Hardware wie USB-Massenspeichern oder Netzwerken verbinden. Viele dieser Erweiterungen werden als offene Hardware entwickelt, die jeder nachbauen kann; die Projekte sind zum Teil auch heute, 30 Jahre nach der Hochzeit des C64, noch aktiv.

In BGP und OSPF wurde allgemein die Funktionsweise des Internet und speziell die Rolle der beiden im Titel genannten Protokolle erläutert. Der Vortrag beschränkte sich dabei auf eine sehr einführende Darstellung. Wer es noch nicht wusste, erfuhr, was ein AS ist, was Peering bedeutet und nach welchen Kriterien sich die Protokolle für die Wahl des Next Hop entscheiden. Der Vortrag war gut gemacht, aber etwas mehr Tiefe hätte ich mir schon gewünscht.

Tiefe gab es dagegen zur Genüge im Vortrag MySQL-Auswahl auch gegen die Distribution. Hier ging es, v.a. am Beispiel Red Hat Enterprise Linux, um die Detailprobleme bei der Installation der von Oracle gelieferten MySQL Pakete als aktuellen Ersatz zu den in den Distributionen vorhandenen, meist etwas angestaubten Paketen. Dass man bei Red Hat solche Klimmzüge machen muss, hat mich verwundert und erschreckt; ich habe die Oracle-Pakete bisher nur mit Debian und Ubuntu verwendet, wo es solche Probleme nicht mal ansatzweise gab.

gnuplot #2: Auswertung von Daten war eine unterhaltsame Einführung in GNUplot von einem sehr kompetenten Referenten. Für mich sehr viel Bekanntes, aber wer mit GNUplot noch nicht viel Erfahrung hat, hat die 1,5 Stunden zu so später Zeit sicher nicht bereut.

Sonntag

Team? Welches Team? beschrieb Erfahrungen aus agilen Entwicklungsprojekten. Es ging darum, dass das Ideal, dass nach einiger Zeit jedes Teammitglied 80% der Aufgaben erledigen könne, in der Praxis eher unrealistisch ist. Statt dessen sind viele Projekte weiterhin auf Spezialisten aus unterschiedlichen Bereichen angewiesen. Der Vortrag stellte Modelle vor, wie in diesem Kontext Teams zusammengesetzt werden sollen und wie sich Spezialisten und Generalisten konstruktiv ergänzen sollen.

Open Source Storage Management mit openATTIC stellte die gleichnamige Storagedistribution vor. openATTIC wendet sich im Gegensatz zu Distributionen wie FreeNAS oder OpenMediaVault nicht an kleine Unternehmen oder Privatleute, sondern adressiert Umgebungen mit sehr großem Storagebedarf. Muss ich unbedingt mal testen.

Docker Batteries sind Add-Ons, die Docker um weitere Funktionalität ergänzen. In dem unterhaltsamen Vortrag wurden die von aktuellen Docker-Versionen mitgelieferten Batteries vorgestellt. Diese ermöglichen beispielsweise, ein Netzwerk über mehrere Docker-Hosts zu spannen oder unterstützen die Orchestrierung größerer Services aus mehreren Containern.

Ansible Advanced war der zweite wirklich sehr gut besuchte Vortrag, den ich besucht hatte. Er baute auf der Ansible-Einführung vom selben Referenten auf der letztjährigen FrOSCon auf und erläuterte einige fortgeschrittene Szenarien sowie die Neuerungen von Ansible 2. Das hohe Interesse lässt darauf hoffen, dass Ansible bei den Konfigurationsverwaltungssystemen einen ähnlichen Durchmarsch hinlegen wird wie Git bei den Versionskontrollsystemen; das gegenwärtige Durcheinander macht es schwierig, zukunftssichere Entscheidungen für neue Projekte zu treffen, und Ansible hat definitiv das Zeug dazu, ein neuer de-facto Standard zu werden.

MySQL 5.7: Migration und Sicherheit stellte die neuen Funktionen der aktuellen GA Version von MySQL vor. Ein Schwerpunkt bildete dabei die Änderungen bei der Benutzer- und Passwort-Verwaltung. Daneben ging es auch um wegfallende Optionen und um Schwierigkeiten bei der Migration von älteren Versionen.

golang rockt! war, trotz fortgeschrittener Zeit am Sonntagabend, der dritte sehr gut besuchte Vortrag. In einer sehr persönlichen, aber dennoch umfassenden Art und Weise stellte ein langjähriger Java-Entwickler die Sprache Go und seinen Einstieg in die Go-Programmierung vor. Sein Schwerpunkt lag in dem “All Inclusive”-Ansatz von Go; man kommt mit der Standardbibliothek und der mitgelieferten Toolchan sehr weit, ohne Dritt-Bibliotheken oder Tools nutzen zu müssen. Der Vortrag und auch die anschließende lebhafte Diskussion zeigten, dass Go in der Open-Source-Welt angekommen ist. Viele Entwickler wollen zu Go wechseln oder haben das im eigenen Umfeld bereits getan. Lediglich an interessierten Firmen und Stellenangeboten hapert es noch.